#speakaboutcrisismanagement Interview mit Markus Glanzer
In unserer Interviewreihe #speakaboutcrisismanagement laden wir Experten ein, um über typische Fehler, best practice und nützliche Insights zum Thema Krisenmanagement zu sprechen.
In diesem zweiten Interview sprechen wir mit Markus Glanzer, MBA MPA über seine Erfahrungen und Perspektiven im Krisenmanagement.
Das Interview: #speakaboutcrisismanagement mit Markus Glanzer
Krisenmanagement - Was bedeutet das für Sie?
Krisenmanagement bedeutet für mich ein ganzheitliches System zu Bewältigung von außerordentlichen Ereignissen, die Leib und Leben sowie den Fortbestand eines Systems gefährden können.
Ganzheitlich deswegen, weil Krisenmanagement in meinem Verständnis immer ein Kreislauf aus Vorsorge, Vorbereitung und Bewältigung sein muss. Eine Krise ist als „Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung“ von den getroffenen Entscheidungen abhängig und es besteht sowohl die Chance zur Lösung oder aber die Möglichkeit eine Verschlechterung herbeizuführen.
Das ist sehr stark von der Qualität der getroffenen Entscheidungen abhängig. Man kann in einer Krise Entscheidungen aus dem Bauch heraus treffen und das kann auch gut gehen. Meist passiert aber genau das Gegenteil. Um solche Entscheidungen nicht unvorbereitet treffen zu müssen, bedarf es eben eines ganzheitlichen Systems zur Krisenbewältigung.
Dafür steht für mich das Krisenmanagement.
Wenn Sie an dieses Thema denken, was wird Ihrer Meinung nach oft falsch gemacht?
Krisen werden aus meiner Sicht sehr oft unterschätzt und die eigene Bewältigungsfähigkeit sehr oft überschätzt. In Summe eine verhängnisvolle Mischung. Krisenmanagement ist nichts, dass man aus dem Tagesgeschäfte heraus machen kann.
Es bedarf einer sorgfältigen Planung und Implementierung sowie der Durchführung von regelmäßigen Schulungen, Trainings und Übungen. Krisenbewältigung bedarf einer besonderen Aufbau- und Ablauforganisation, denn normale Geschäftsabläufe und Routinen sowie Hierarchien können mitunter einfach zu langsam, zu komplex und für das Krisenmanagement ungeeignet sein.
Sehr oft hört man auch, dass der Aufbau und die Vorhaltung von Krisenmanagement sehr teuer sind. Was bis zu einem gewissen Punkt stimmt. Denn wenn ich in meinem Unternehmen nichts habe, dann muss ich investieren. Investieren in ein passendes Krisenmanagement-System, in Infrastruktur, Technik und Technologie sowie Personal(entwicklung). Das kostet natürlich Geld. Aber wenn jemand meint, das sei zu teuer, dann soll sie oder er es bitte gerne mal mit der Krise oder der Katastrophe probieren.
Können Sie dazu ein Beispiel geben?
Da gibt es viele Beispiele aus der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit.
Eigentlich muss man sich gegenwärtig nur das Pandemiemanagement in vielen Staaten ansehen. Man muss sich nur die Frage stellen, wie viele Wellen vermeidbar gewesen wären, wenn das Krisenmanagement sich gut vorbereitet hätte. Aber auch hier kam sehr oft die „Everything is under control!“ Message. Das es eben nicht so war, hat dann der Anstieg der Infektionszahlen und die Wellen sehr gut gezeigt.
Das Krisenmanagement in Unternehmen war in Bezug auf die Pandemie vielfach ebenfalls nicht gut vorbereitet. Es fehlten weitgehend die Pandemiepläne. Es gibt bereits seit 2009 eine ÖNORM Regel zur Planung und Durchführung der Influenza-Pandemievorsorge in Unternehmen (ONR 192420:2009). Diese ist aber kaum bekannt und wurde daher kaum umgesetzt. Vieles aus dieser Norm hätte für die Corona-Pandemie verwendet werden können.
Unternehmen waren auch auf Homeoffice für Ihre Mitarbeiter*innen wenig vorbereitet. Mit mangelnder technischer Arbeitsausrüstung und Absicherung sowie oftmals ohne jeden Überblick durch das Unternehmen, wurde für die Cyber-Kriminalität Tür und Tor geöffnet.
Weitere Beispiele gibt es viele. Man muss dazu nur die Nachrichten konsumieren und die Dinge verfolgen. Das Schema ist oftmals sehr ähnlich. Vorfall in einem Unternehmen – Unternehmensstatement: Wir haben alles im Griff und uns nichts vorzuwerfen – Überprüfung und Folgeberichte: Mängel werden aufgedeckt, Sicherheitslücken werden aufgedeckt, ein Skandal droht.
Das Krisenmanagement und die Krisenkommunikation haben versagt oder waren erst gar nicht vorhanden.
Welche positiven Effekte könnten Leser*Innen erwarten, wenn Krisenmanagement wirklich gelebt wird?
Krisenmanagement ist keine 100% Garantie, dass jede Krise gut ausgeht.
Ein gut vorbereitetes und gelebtes Krisenmanagement ist jedenfalls in der Lage die Folgen einer Krise und die Schäden aus einer Krise bestenfalls zu vermeiden, aber jedenfalls zu vermindern. Auch der Wiederanlauf nach der Krise kann mit entsprechender Vorbereitung schneller durchgeführt werden.
Die Implementierung von Business Continuity Management sowie Krisenmanagement in Unternehmen hilft die Resilienz und Nachhaltigkeit eines Unternehmens zu stärken.
Auf welche Warnsignale sollte man achten, um hier bei der Implementierung nichts falsch zu machen?
Krisenmanagement, Notfallmanagement und auch Business Continuity Management dürfen nicht zu einem Silo im Unternehmen werden.
Das Phänomen sieht man sehr oft beim Risikomanagement, wenn sich in einem Unternehmen sogenannte Risiko-Silos bilden. In sich abgeschlossene Einheiten von Risiken, die aber nicht das Gesamtbild eines Unternehmens wiedergeben. Dadurch wird das Restrisiko und hier vor allem das nicht identifizierte Risiko ungemein höher und fast nicht mehr kalkulierbar. Daher ist für mich das größte Warnsignal, wenn das Krisenmanagement sich zu einem Silo im Unternehmen entwickelt und es nicht von allen mitgetragen wird.
Ich betrachte das Notfall- und Krisenmanagement als das schützende Dach eines Hauses. Damit das Haus jedoch solide gebaut wird, benötigt es ein gutes Fundament. Akzeptanz, Bereitschaft und Wille im gesamten Unternehmen sind dieses Fundament. Wenn es hier schon mangelt, dann kann ein Krisenmanagement nie erfolgreich werden.
Was wären die ersten Schritte, um damit zu starten?
Ein erster Schritt für ein Unternehmen ist eine aktive Auseinandersetzung mit dem Thema der eigenen Vulnerabilität des Unternehmens.
Wird diese bewusst, erkannt und verstanden, dann kann das Fundament für das Krisenmanagement gebaut werden. Ist das Unternehmen dann auch noch bereit und willens ein solches System aufzubauen, dann ist der Grundstein für den Erfolg bereits gelegt.
In weiteren Schritten müssen dann die Ressourcen dafür zur Verfügung gestellt werden und sofern das Know-How im eigenen Unternehmen nicht vorhanden ist, externe Expert*innen zugezogen werden. Und wenn Sie mich nach dem besten Zeitpunkt zum Start fragen, dann ist meine Antwort ganz klar. Gestern!
Was ist der eine große Insight, den Leser*Innen von diesem Interview mitnehmen sollten?
Krisenmanagement und Erste Hilfe haben eines gemeinsam: Das schlechteste ist nichts zu tun!
Deshalb sollte jedes Unternehmen, egal ob ein kleines, mittleres oder großes Unternehmen, etwas im Bereich der Krisenvorsorge und Krisenvorbereitung tun. Gestern, heute und Morgen. Denn die nächste Krise kommt bestimmt.
Vielen Dank für das spannende Interview!